Dispositivkritik: Bereit sein zu
01. November 2018
von Mariano Gaich
Für Foucault ist ein Dispositiv ein umfangreiches Netz aus Diskursen, Praktiken, Institutionen und Wissen, dass sich in Normalisierungsprozessen von Menschen niederschlägt. Ich möchte Dispositive in Bewegung bringen und mit ihnen agieren.
Mit dem Titel Dispositivkritik, beziehe ich mich auf den Dispositivbegriff Michel Foucaults, ein Philosoph des Poststrukturalismus, der Machtmechanismen im Rahmen seiner Diskursanalyse untersuchte. Zusammenhänge zwischen Wissensproduktion und Machttechniken sowie die damit einhergehende Konstituierung und Disziplinierung von Menschen, sind zentrale Themen in seiner philosophischen Position.
Für Foucault ist ein Dispositiv ein umfangreiches Netz aus Diskursen, Praktiken, Institutionen und Wissen, dass sich in Normalisierungsprozessen von Menschen niederschlägt. Dispositive als Herrschaftsinstrumente werden von keinem.r souveränen Subjekt implementiert, wie beispielsweise von einem.r Monarch.in oder dem Staat, sie entstehen in Folge einer Art automatischen und nicht individualisierten Machtausübung. Dabei üben die Subjekte selbst – durch verinnerlichte Praktiken, Gewohnheiten und Diskurse – Macht aus, womit sie bestehende Dispositive (un)bewusst unterstützen. Hier wird ein interessanter Widerspruch deutlich, in dem sich ein Handlungsfeld öffnen könnte.
Althergebrachte Strukturen, wie das von Foucault aufgegriffene Konzept des Panoptikums (1) – dass laut Foucault beispielsweise Gefängnisse, laut Bennett (2) auch Bildungsorte wie Museen des 19. Jahrhunderts prägte – wirken bis heute spurenhaft als Dispositiv. Explizite und implizite Wert- und Normsysteme werden weiterhin (re)produziert, was zu Ausgrenzungen führt.
Autoren wie der Philosoph Giorgio Agamben erweitern den von Foucault formulierten Dispositivbegriff: «Dispositive sind [...] nicht nur die Gefängnisse, […], das Panoptikum, […], die Fabriken, […], sondern auch der Federhalter, die Schrift, die Literatur, die Philosophie, […], die Computer, die Mobiltelefone und – warum nicht – die Sprache selbst, die das vielleicht älteste Dispositiv ist [...].» (3)
Der Federhalter... Hier interessiert mich die Aneignung des Federhalters als Dispositiv und Werkzeug für transformative Prozesse, die eine Bereitschaft zu Veränderung innerhalb eines gegebenen Dispositivmechanismus‘ bewirken können: ich möchte Dispositive in Bewegung bringen und mit ihnen agieren. Mich interessiert das Zeichnen von neuen Geschichten. Wie können Sprache, Kultur und Kreativität dazu beitragen das Netz aus Dispositiven zu bewegen oder gar aufzubrechen?
(1) Siehe Foucault, Michel, «Vigilar y castigar» («Überwachen und Strafen»), Siglo Veintiuno Editores: 2003, S. 199-230: Panoptikum: Jeremy Benthams Konzept zum Bau von Gefängnissen und ähnlichen Anstalten, das die gleichzeitige Überwachung vieler Menschen durch einen einzelnen Überwacher ermöglicht.
(2) Bennett, Tony, «The Formation of the Museum», in: «The Birth of the Museum. History, theory, politics», London/New York: 1995, S. 17-58.
(3) Agamben, Giorgio, «Was ist ein Dispositiv?», Diaphanes, Zürich – Berlin:2008, S. 26.