Eine Erzählung aus dem Lockdown der Michaelschule
23. Juni 2020
von Simon Berger
Von der Unfassbarkeit einer geschlossenen Schule, Plüschtieren und gewachsenen Menschenarmen.
Praktisch über Nacht mussten wir nach der Schulschliessung eine neue Schulform erfinden – was mit Schülerinnen und Schülern der Regelschule schon anspruchsvoll genug ist, birgt in der Heilpädagogischen Michaelschule noch weitere Herausforderungen.
Nicht in allen Fällen, nein, viele unserer Schülerinnen und Schüler können und wollen sehr gerne auch zu Hause Aufgaben lösen. Aber es gab Situationen, in denen alle sehr stark gefordert waren. Am meisten die Kinder selbst und ihre Eltern. So gibt es in meiner Klasse einen Schüler, der dachte, es wäre nur für ihn als Strafe so, dass er lange Zeit nicht in die Schule gehen darf. Ich musste ein paar Mal mit ihm zur Schule fahren bis er verstehen konnte, dass gar niemand in der Schule ist. Ein anderer Schüler hatte noch kurz vor der Schliessung ein Plüschtier in eine Baugrube fallen lassen. Wir versuchten das arme Tier zu holen, aber unsere Arme waren zu kurz. Nach dem Lockdown wollte dieser Schüler so rasch wie möglich wieder zu dieser Baugrube gehen: er war sich sicher, dass sein Arm gewachsen sei und er nun sein Plüschtier zu fassen bekäme.
Simon Berger ist Kulturbeauftragter und Lehrperson an der Heilpädagogischen Michaelschule Winterthur.