Kulturvermittlung als dynamischer Prozess
29. Januar 2020
von «kklick» Kulturvermittlung Ostschweiz
Ein Interview von «kklick» Kulturvermittlung Ostschweiz mit der im Thurgau tätigen Kulturagentin Bettina Eberhard über ihren Arbeitsalltag, Highlights und über ihre Wünsche für die Zukunft von (Kultur)vermittlung an Schulen.
Das Pilotprojekt «Kulturagent.innen für kreative Schulen» läuft in der Ostschweiz über die Jahre 2019 - 2023 mit dem Ziel, gemeinsam mit den teilnehmenden Schulen ein qualitativ hochwertiges, fächerübergreifendes und bedarfsorientiertes Angebot der kulturellen Bildung zu entwickeln und in den Schulalltag zu integrieren. Dabei werden die Schulen von Kulturagent.innen unterstützt und begleitet, im Thurgau von der Künstlerin und Filmemacherin Bettina Eberhard.
Was reizt Dich daran, als Kulturagentin tätig zu sein und was möchtest Du in dieser Funktion im Thurgau bewirken?
Ich glaube, dass Kunst die Möglichkeit hat, unsere Welt zu reflektieren und neue Räume, reale oder auch imaginäre, zu kreieren. Die Lust, sich bewusst solche Räume zu konstruieren und das Werkzeug und Zutrauen, dies auch schaffen zu können, möchte ich Kindern und Jugendlichen mit an die Hand geben. Das bedeutet aber auch, dass sich ihr schulischer Alltag anpassen muss.
Durch ästhetische Bildung Perspektiven wechseln und Blickwinkel verschieben, Raster erkennen und Nischen finden, sind Dinge, die mir am Herzen liegen. Ich möchte im Thurgau bewegen und natürlich auch bewegt werden. Und freue mich auf das Eintauchen in den See, aber erst wenn’s wärmer ist.
Du arbeitest momentan mit der Sekundarschule Remisberg in Kreuzlingen zusammen. Wie darf man sich Deinen Arbeitsalltag dort vorstellen?
Ich sitze viel vor dem Computer, schreibe Mails, Konzepte, Anträge oder ich recherchiere, suche und entdecke mir noch unbekannte Vermittlungsprojekte oder wissenschaftliche Ansätze. Ich bin aber nicht nur virtuell viel unterwegs, sondern auch in der realen Welt. Oft sitze ich im Zug. Jetzt im Winter ist es frühmorgens meist neblig. Diese Stimmung mag ich sehr. Ich arbeite, auf dem Weg zu einer Weiterbildung, einer Konferenz oder einem Meeting, um Kulturschaffende und Lehrpersonen zu treffen, während draussen die Landschaft vorbeirast. Mittwochs bin ich immer am Remisberg, um mich mit dem Kulturbeauftragten und der Schulleitung auszutauschen. Wir besprechen aktuelle künstlerische Projekte oder planen zukünftige. Der direkte Austausch ist wichtig, damit ich ein Gespür für den Remisberger Alltag bekomme. Momentan sind wir dabei, unsere Visionierungsgruppe zu gründen, um gemeinsam mit Lehrpersonen, aber auch Schüler.innen die Verankerung künstlerischen Bildung am Remisberg zu diskutieren. Wir werden gemeinsam unsere Schwerpunkte bestimmen. Das wird eine Reise!
Gab es für Dich bis jetzt bereits ein persönliches (Kultur)Highlight als Kulturagentin?
Natürlich war das erste durchgeführte Projekt mit dem Künstler Pablo Walser an der Schule toll. Wir haben den Remistalk gegründet. Die Schüler.innen kochen von nun an mindesten drei Mal pro Jahr mit und für eingeladene Künstler.innen. Die Idee ist es, einen Rahmen zu schaffen, in dem die Schüler.innen ihren Gast nach Herzenslust befragen können und gemeinsam mit ihm, bzw. angeleitet durch ihn, ein Werk gestalten. Der Auftakt war etwas chaotisch, aber trotzdem wirklich gelungen. Was mich aber von Anfang an ungemein berührt hat, ist das Vertrauen und die Offenheit der Schule, Dinge auszuprobieren, auch neue künstlerische Wege zu testen, um Inputs für Veränderungen zu kreieren. Besonders die grenzüberschreitenden Projekte mit Konstanz, die wir heute im Team besprochen haben, erwarte ich mit Spannung. Die Sitzung war das heutige Highlight.
Was wünscht Du Dir für die Zukunft von Kultur(vermittlung) an Schulen?
Der Wille und Glaube, vor allem aber die Zeit, dass Kunst Veränderungen erzeugen kann. Kein statischer Zustand, sondern ein dynamischer Prozess, an dem sich alle beteiligt fühlen.
- Kultur ist für mich: Mensch sein.
- Kulturvermittlung an Schulen ist wichtig: weil Kunst alle angeht.
- Diese Filme würde ich auf die berühmte einsame Insel mitnehmen: «Ordet», «Celine und Julie fahren Boot» und «Beau Travail», als 35mm Kopien selbstredend mit Projektor und Kinosessel
- Wenn ich tanze: wird’s dramatisch
- Davon wird mir schwindlig: Schnellem Kopfrechnen
- Immer wieder lustig: Hunderennen
- Darauf freue ich mich: Irgendwann auf ein Konzert von Jack White zu gehen
Herzlichen Dank für deine Antworten!
Das Originalinterview wurde am 24. Januar 2020 auf kklick-aktiv veröffentlicht.