Kulturagentinnen und Kulturagenten Schweiz

Die geplanten Projekte an der Schule Gais finden im Schuljahr 20/21 zum selbst gewählten Thema «Lokales Kulturschaffen und Tradition» statt. Eine sinnvolle Setzung, die eine nuancierte Herangehensweise erfordert, damit die Beschäftigung mit Traditionen lebendig bleibt und sich nicht in der Wiederholung bereits bestehender Traditionsformen und der damit einhergehenden Gefahr der weiteren Festschreibung von Ausschlussmechanismen erschöpft. Ein spannendes Forschungs- und Handlungsfeld also.

Festhalten oder Weitergeben?

Der vierstündige Freitagmorgen bildete den Auftakt der «Weiterdenkreihe» zum Traditionsbegriff und war in Gruppendiskussionen, Gestaltungsaufgaben sowie Inputs gegliedert. Als Einstieg stellte ich eine stark abgekürzte wissenschaftliche Begriffsdefinition (Weitergabe von Handlungsmustern, Überzeugungen, Konventionen, Bräuche etc.) vor und versuchte im Anschluss, die damit verbundenen Spannungsfelder aufzuzeigen. Als Beispiel diente mir die Entwicklung der Schweizer Volksmusik. Diese entwickelte sich von einem Musikstil, der regional aufgrund der unterschiedlichen vorhandenen Instrumente und Singarten immer anders klang, hin zu einer Musik mit starrem Regelwerk, das anhand der Unterscheidung in «echte» und «falsche» Volksmusik zur Folge hatte, eine bestimmte Form des Musizierens als «Tradition»/»traditionelle Form», Volksmusik, festzuschreiben. Nach einer Hochphase galt Volksmusik als altmodisch und spiessig. Erst das Aufbrechen dieser Regeln, bei dem einerseits auf alte Instrumente und Spielweisen zurückgegriffen wurde, sich aber auch neue Einflüsse in den Kompositionen und Arrangements fanden, änderte sich dies. Für die Kulturagentin zeigt sich in dieser Entwicklung die ganze Schwierigkeit eines Traditionsverständnisses/des Traditionsbegriffs (?), das in der Praxis ständig zwischen Festhalten und Weitergeben, Abgrenzung und Öffnung, Reproduktion und Zuschreibung, Zugehörigkeit und Ausschluss schwankt.

Ein Bild bekommt Risse

Tradition ist auch ein persönlich geprägter Begriff und darum war es mir wichtig, die eigenen Assoziationen und Erfahrungen der Lehrpersonen ins Spiel zu bringen. Dazu bekamen die Teilnehmenden eine Gestaltungsaufgabe: Ausgehend von dem Werbespot von «Swiss Tourismus», der für das Ferienjahr 2020 die Schweiz als Oase des Friedens und der Sicherheit anpreist (und mitten im Lockdown veröffentlicht wurde), sollten sie in Kleingruppen ihre eigenen Werbespots kreieren. Auch ihre mitgebrachten, schweiztypischen Gegenstände konnten im Werbespot vorkommen. Jeder Werbespot musste zudem einen Moment enthalten, in dem sich die Idylle des Gezeigten als konstruiert herausstellte oder ins Gegenteil verkehrte. Die unterschiedlichen Ergebnisse dieser Aufgabe waren zum Zuschauen sehr unterhaltsam und wurden im Anschluss diskutiert.

Fortsetzung folgt

Aus meiner Sicht ist der gemeinsame Einstieg in das Thema gelungen. Ich hatte im Anschluss an den Morgen das Gefühl, dass der Jahresschwerpunkt von den Lehrpersonen wahrgenommen wurde und sich daraus Ideen für Projekte abzuzeichnen begannen. Der nächste Teil der Weiterdenkreihe folgt im Oktober.

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