Vom Paradies in der Schule, im Alltag und in den Religionen
27. April 2019
von Stefan Truffer
Was hofft unsere Schule? Was glaubt die Schweiz und woran glaubt Europa? Was für Paradiesvorstellungen gibt es insgesamt auf dieser Welt? Schüler.innen der OMS St. Ursula Brig setzten sich mit Paradiesvorstellungen aus den unterschiedlichen Kulturen auseinander.
Tänzerisch und bewegt ging die Vernissage der Ausstellung «Paradies» am 25. April 2019 über die Bühne – oder eben durch das Foyer und das angrenzende Forum der OMS St. Ursula Brig. Obschon es sich um einen «Post-16-Uhr-Schultermin» handelte, versammelte sich ein stattliches Grüppchen von Schüleri.nnen und Lehrpersonen, welches den beiden Tänzerinnen, Larissa Elsig und Verena Bennicchio vom «A+O Tanz», bei ihrer Tanzführung bis in die ehemalige Kapelle der Schule folgte. Am Ende bot sich dem Publikum eine Vorstellung von fach- und klassenübergreifenden Arbeiten mit dem Fokus auf das Thema «Paradies».
Im Zentrum standen dabei Plakate der 1. FMS (Fachmittelschule)-Klassen zu den verschiedensten religiösen und kulturellen Perspektiven auf das Paradies oder dessen Gegenpart, die von Dämonen und Qualen durchsetzte Unterwelt. Hierbei zeigte sich, dass Paradiesvorstellungen das Denken und Handeln fast aller menschlicher Gesellschaften der vergangenen 4‘000 Jahre prägten und bis heute Hoffnungen auf eine bessere Existenz nach dem Tod liefern. So lässt sich in der Ausstellung vom Nirwana, vom Walhalla, vom islamischen Paradies oder der christlichen Jenseitstheologie lesen.
Ergänzt wurde die paradiesische Rundschau von Arbeiten des Kollegiums Brig. Bis kurz vor der Vernissage wurde gehämmert, vermessen, arrangiert und Käse aufgeschnitten. Eine angesichts der immer knapper werdenden Zeit herausfordernde Arbeit lag speziell im Positionieren der mehr als hundert plastischen Objekte auf einer Fläche von neun Quadratmetern. Plastiken, die eine Vielzahl von Gegenständen aus der Alltagswelt unserer Lernenden darstellen: Von der Kinderschokolade zu Gitarren; von Netflix über Palmen bis hin zu Seilbahnen in den Walliser Bergen.
Mehrere Klassen der FMS und der HMS (Handelsmittelschule) erhielten in einer Spezialstunde den Auftrag, in lediglich fünf Minuten einen Gegenstand zu zeichnen, welcher für sie das Paradies bedeutet. Die hieraus entstandenen Skizzen gingen schliesslich an die 1. Klassen der FMS sowie der SfB (Schule für Berufsvorbereitung). In den Stunden «Bildnerisches Gestalten» erfolgte unter der Ägide von Walter Eigenheer die Übersetzung der Zeichnungen in die dritte Dimension. Das Resultat ist unmissverständlich. Entstanden ist eine Objektcollage, welche mannigfaltige Interessen unserer Jugendlichen auf den Tisch legt: Sie klettern, sie fahren Ski, sie spielen Instrumente, sie faulenzen, sie lesen Bücher oder sie träumen von Zukunftstechnologien.
All die zuvor genannten Verben zeigen auf, dass es sich wahrlich um eine paradiesische, aber gleichwohl intensive und gelegentlich kräftezehrende Jugendzeit handelt. Aus zahlreichen Optionen können hiesige Jugendliche wählen. Nicht nur in Bezug auf ihre Freizeit! Eine Wahlfreiheit, welche zum Einen nicht allen Jugendlichen dieser Welt vergönnt ist und der mitunter ein überforderndes Element innewohnen kann.
Vor wichtigen Entscheidungen und Abwägungen stehen in jedem Jahr an unserer Schule die Schüler.innen der Schule für Berufsvorbereitung (SfB). Sie melden sich in der Ausstellung an einer Hörstation zu Wort. Wie könnte eine paradiesische Schule aussehen, was müsste eine solche bieten und wie liesse sich eine paradiesähnliche Berufsausbildung realisieren? Hier mischen sich amüsante bis gar phantastische Vorschläge mit konkreten Überlegungen, welche leicht umzusetzen sind, aber das studentische Leben auf dem Briger Bildungshügel im Kleinen erleichtern könnten.
Insgesamt ein erfrischender Ideenkatalog, den es gemäss unserem Schulmotto «wir machen mehr aus Bildung» anzuhören gilt. Was bleibt ist die Diskussion: Schafft es die Menschheit, die Schweiz, eine Region oder eine Schule sämtlichen Paradiesvorstellungen gerecht zu werden? Kann und soll dies überhaupt ein gesellschaftspolitisches Ziel sein? Oder ist jede und jeder für die Schaffung des eigenen Paradieses verantwortlich? Wo müssen paradiesische Wünsche auch einfach Wunschvorstellungen bleiben?
Stefan Truffer ist Mitglied der Kulturgruppe an der OMS St. Ursula in Brig und Lehrperson für Religionswissenschaften.
Was mit den «paradiesischen Objekten» weiterhin geschah, lesen sie in diesem Beitrag.