Kulturagentinnen und Kulturagenten Schweiz

«Das Leben kennt keine Zugaben» 

Dass sich Bücher nicht über Nacht schreiben oder gar als fertig geschriebenes Manuskript den Schreibenden in den Schoss fallen, das dürfte wohl allen Jugendlichen unserer 1. Klassen der FMS bewusst sein. Welch langer Prozess aber von der ersten Idee bis zum fertigen Buch ansteht, das dürfte ihnen erst bewusst geworden sein, als der Autor und Musiker Samuel Schnydrig im Februar in ihren Klassen zu Gast war. Dass der Adoleszenzroman «Klaus. Leben vor dem Steinschlag» einen derart langen Geburtsprozess benötigt, hätte Samuel Schnydrig wohl selbst nicht erwartet, als er sich 2010 in Zürich am Mittagstisch auf eine Wette einliess. Das ambitionierte Vorhaben, bis 2014 ein fertiges Romanmanuskript einzureichen, bildete den Gegenstand der Wette. Eine mutige und verlorene Wette. Denn erst 2015 begann die konkrete Umsetzung auf einer längeren Asienreise. Hier entstand die Grundidee, eine Geschichte über jemanden zu schreiben, der jung ist und langsam erwachsen wird, inklusive all der Herausforderungen, die dieser Prozess beinhaltet. Gleichzeitig stand die Struktur fest, nach der jedes Kapitel ein Jahr umfassen sollte. Und als leidenschaftlicher Musiker, der Samuel Schnydrig nun mal ist, mussten in den Kapiteln auch die Musik und die Sprache der Zeit ihren Platz finden. In zwei Notizbüchern hielt er in der Folge Dinge fest: in einem Buch all das, was sich über das Jahr recherchieren liess, im anderen alle Ideen, Impulse und Anekdoten, die man auf Reisen und in Gesprächen aufschnappt. Nach der Rückkehr blieben noch drei Monate bis zum neuen Job. Verbracht hat er sie in Zwischbergen und dort entstanden die ersten fünf Kapitel – zunächst noch in Er-Form. Bis aber das fertige Buch beim Zytglogge-Verlag erschien, sollten nochmals sechs Jahre ins Land ziehen. Dialoge mussten umgeschrieben, die Erzählperspektive verändert, unzählige Szenen gekürzt werden, denn was für den Autor interessant ist, muss es fürs Lesepublikum noch lange nicht sein. So fielen denn auch zahlreiche Fluchwörter den Kürzungen zum Opfer, die Schnydrig den Freunden Klaus und Basters in vielen Varianten in den Mund gelegt hatte, oder sie landeten vorübergehend im «Wörtersee», den der Autor während des Schöpfungsprozesses als Reservoir aufgestaut hatte. Für unsere Jugendlichen war aber nicht nur der Entstehungsprozess eines Romans von Interesse, sondern auch aus erster Hand Tipps zum kreativen Schreiben zu erhalten. So galt es etwa an einer Szene zu imaginieren, wie Basters und Klaus auf die Nachricht reagieren, dass einer ihrer Freunde schwer verunfallt ist. Die Lösungen fielen naturgemäss ganz individuell aus. Während die einen sich ganz leicht taten, die Szenerie plastisch weiterzuentwickeln, gestaltete sich der Auftrag für andere Schüler*innen doch um einiges schwieriger, gilt es doch zunächst, die eigene Sprache zu finden. Jede Jugend hat ihre eigene Sprache. Hoffen wir, dass einzelne unserer Jugendlichen den Mut haben, sich dieser künftig beim Schreiben auf kreative Weise zu bedienen.