Kulturagentinnen und Kulturagenten Schweiz

«Rohling ist Atelier und Labor für künstlerische Produktionen und Interaktionen.
Rohling ist eine soziale Skulptur.
Rohling fordert und fördert einen zeitgemässen und gleichberechtigten Kunstbegriff.
Rohling ist ein Kollektiv, das multidisziplinäre Aktionen realisiert.
Rohling ist ein Verein (…)»

Diese Fotostrecke dokumentiert die Arbeit der Kulturagent.innen Reflexionswerkstatt im Atelier Rohling in Bern mit den Künstler*innen Pia Heim und Clemens Wild, die uns dort am 25. Oktober 2022 ihre Werke und Prozesse vorgestellt haben. Nach dem Besuch in dem Atelier, fuhren wir nach Lausanne in die «Collection de l’Art Brut,» sowie in einen Ausstellungsraum, der früher eine Apotheke war, nun aber in einen Offspace umfunktioniert wurde, in dem verschiedene junge Künster*innen aus der Romandie ihre Werke zum Thema «Reisen» gezeigt haben. Zum Abschluss des Tages gingen wir mit dem Präsident des Verein Rohlings, Samuel Kalbermatten, und Clemens Wild georgisch essen (in einem der einzigen georgischen Restaurants in der Schweiz).

Zu Beginn des Tages hat Sophie Brunner, die Gründerin des Atelier Rohlings, gemeinsam mit Pia eine Präsentation im Atelier gemacht und uns das Projekt und seine verschiedenen Künstler*innen vorgestellt (von denen einige im Hintergrund am arbeiten waren). Im theoretischen Teil der Präsentation, hat Sophie Brunner verschiedene kunsthistorische Beispiele «des Anderen» aufgezeigt und in Zusammenhang mit dem postkolonialen Begriff des «Subalternen» erklärt. Sie hat dabei speziell über die Herausforderung gesprochen, Ausstellungen mit Künstler*innen zu kuratieren, für die der Kunstbetrieb nicht ohne Weiteres barrierefrei zugänglich ist – und damit die Frage aufwirft: «wer spricht für wen?»

Am Nachmittag besuchten wir die «Collection de l’Art Brut,» wo Clemens Wild seinen Comic «Das Kalifat im Emmental» ausgestellt hat und wo einige seiner Bilder bald in die dortige Sammlung aufgenommen werden. Das Museum entstand als der einflussreiche, aber auch kontroverse Künstler Jean Dubuffet seine Kunstsammlung der Stadt Lausanne vermachte. Seit seiner Eröffnung 1976, pflegt es eine der bedeutendsten Auseinandersetzungen mit der Geschichte von «Art Brut.» Die ursprüngliche Sammlung von Dubuffet umfasste gut 5000 Kunstwerke von mehr als 100 verschiedenen Künstler*innen, sowie das persönliche Archiv des Künstlers. Unterdessen ist die Sammlung auf über 70'000 Werke angewachsen, die sich auf je sehr unterschiedliche Weise zur Idee einer «Art Brut» verhalten – einer Kunst also, die in ihrer «Roheit» Kategorien von hoher und niedriger Kunst, von gutem und schlechtem Geschmack, aber auch von künstlerischem Aussenseitertum thematisiert und hinterfragt. Es ist bekannt, dass Dubuffet sich in diesen Fragen stark von den Arbeiten von Künstler*innen hat inspirieren lassen, die durch psychische Krankheiten oder Behinderungen von sozialer Marginalisierung und Diskriminierung betroffen waren. Einige seiner Vorstellungen über «rohe» oder «Outsider Kunst» reproduzieren dadurch ein «Othering» solcher Personen (= Form der Diskriminierung, über die eine bestimmte Gruppe als «andersartig» und «nicht-normal» markiert wird). Gleichzeitig hat die durch ihn benannte Bewegung eine Debatte über Kunst angestossen, aus der wichtige Impulse und Projekte entstanden sind – wie das Atelier Rohling.