Kulturagentinnen und Kulturagenten Schweiz

Ich treffe Bettina auf Zoom. Mit meinen Kopfhörern stimmt etwas nicht, Bettina hört mich wie durch einen Nebel. Ein letztes Rauschen, plötzlich funktioniert alles. 

«Der Perspektivenwechsel ist gerade mein Thema. Jetzt bin ich auch noch Kulturagentin», erzählt Bettina. Ausserdem: Lehrerin, Studentin, Autorin, Frau. Und sonst noch alles Mögliche.

Während ihrer Tätigkeit als Lehrperson hat Bettina irgendwann angefangen zu schreiben. Schnell und plötzlich hat das Schreiben eine grössere Bedeutung bekommen. Das Schreiben drängte sich ihr immer mehr auf, wurde immer grösser und forderte mehr Platz in ihrem Leben. Bis zu dem Punkt gab es dafür nur Nischen, die Wochenenden, die Abende. «Ich wusste lange nichts von diesem Studium: Sprachkunst an der Universität für Angewandte Kunst Wien. Ich wollte nicht einfach schreiben.» Sie wollte es richtig lernen, so ging sie für das Studium nach Wien. Bettina erinnert sich an ihre eigene Schulzeit. «Ich ging immer gern zur Schule und meldete mich öfters, als ich drangenommen wurde.» Nach dem Studium an der pädagogischen Hochschule wandelte sich ihre Perspektive. Sie wurde Lehrperson, stand fünf Tage die Woche vorne im Schulzimmer. So lernte sie die Herausforderungen dieses Jobs kennen und entwickelte Verständnis für den Druck, dem Lehrpersonen manchmal ausgesetzt sind.

Wil und Wien – die gemeinsame Aussprache erfordert fast schon etwas Konzentration. Was sieht Bettina an ebendiesen Orten, an denen sie lebt und arbeitet? 

«In Wil sehe ich das Überschaubare. Es ist ein Ort, wo ich alles kenne. Idylle. Es ist auch ein Nest. Für mich und generell. Tolle kleine Dinge entstehen manchmal dort. Wien ist Desorientierung. Es brauchte lange bis ich mich zurecht fand in der Grossstadt, geografisch und auch sonst. Manchmal erschlagen mich die Möglichkeiten. In Wien sehe ich auch immer, was ich alles nicht machen kann.»

Ich google Bettina. Bettina hat soeben ein Buch geschrieben. Es heisst «Erbgut», ist eine Familiengeschichte, fragmentarisch erzählt, nicht chronologisch und aus vielen Perspektiven, vor allem der weiblichen Familienmitglieder. Wir sprechen also über Bücher. Ich frage Bettina, welches Buch sie am häufigsten verschenkt. «Ich finde es schwierig, Bücher zu verschenken. Schenkt mir jemand ein Buch, das ich nie lesen würde, frage ich mich: weiss die Person überhaupt, wer ich bin?»

Über Schule sagt Bettina «Schule ist wie eine kleine, geschlossene Gesellschaft mit eigenen Regeln, eigenen Orten, eigenen Bewohner.innen. Wie stärke ich Kunst und Kultur in dieser Mini-Gesellschaft? Was für neue, herausfordernden Erfahrungen können die Kinder und Jugendlichen mit Kunst und Kultur machen? Kunst und Kultur können Fragen auslösen, Denkräume öffnen und Möglichkeit bieten, sich mit einem Problem auseinanderzusetzen.» In ihrer Arbeit als Kulturagentin interessiert sich Bettina dafür, wie man «diese Fragen aus und im Kontext Schule herauskitzeln kann».

Text: Jelena Moser