Aus dem Schatten – ans Licht
01. Juli 2021
von Stefanie Kasper
Einblicke in die Forschungswerkstatt «Licht und Schatten» von Hansueli Trüb
Zwei Burgfräulein besuchen den im Städtchen gastierenden Zirkus – und treten gleich selbst in der Manege auf. Abgelöst werden sie von einem Trapezartisten, der in schwindelerregenden Höhen seine Kunststücke vorführt. Gut, ist unter ihm ein Sicherheitsnetz gespannt. Angekündigt vom Zirkusdirektor folgt der Auftritt der Tiere: Löwen und Seehunde springen durch Reifen, ein gigantischer Elefant wirbelt Sand auf. Auf das Spektakel folgt eine ruhige, poetische Nummer. Ein Clown erscheint, zuerst still und zurückhaltend, bis er das Publikum mit seiner wasserspritzenden Blume überrascht. Eine grosse, farbige Parade bildet das Grande Finale der Zirkusshow, die sich gänzlich hinter einem zur Projektionsfläche umfunktionierten Leintuch abgespielt hat. Unglaublich, dass dieses Spektakel der magisch-märchenhaften Licht- und Schattenbilder nur etwa 15 Minuten gedauert hat. Und dass eine Gruppe Kindergartenkinder für sämtliche Ideen und deren Umsetzungen verantwortlich zeichnete.
Der geschilderte Schattentheater-Zirkus der Klasse von Jnes Fehr bildete den internen Abschluss der Forschungswerkstatt «Licht und Schatten», die im Rahmen des Kulturagent.innen-Projekts vom 5. bis 11. Mai 2021 mit den vier Kindergärten des Schulzentrums Bernegg durchgeführt werden konnte. Der Künstler Hansueli Trüb gestaltete die Projektwoche gemeinsam mit den Lehrpersonen und den Kindern. Dabei stand das sinnliche Experimentieren mit Licht und Schatten im Vordergrund.
Welche Eigenschaften und Wirkungsweisen haben Licht und Schatten? Welche Effekte lassen sich mit Hellraumprojektor, bunten Folien, Projektionsflächen, Scheinwerfern und unscheinbaren Alltagsdingen erzielen? Wie lassen sich unter Anwendung verschiedener Techniken Dinge verlebendigen, künstlerisch neue Welten erschaffen? Hansueli Trüb leitete die Kinder spielerisch und stufengerecht an, mit einfachen Mitteln und Materialien optische Phänomene zu erkunden, Licht und Schatten als Gestaltungsmittel einzusetzen und damit zu experimentieren. So lernten sie Effekte und Wirkungsweisen kennen, durften selbständig ausprobieren und ihr Wissen erweitern.
Die ganze Projektwoche wurde von Hansueli Trüb in Inputs gegliedert. Die Abfolge von geführten Experimenten, beispielhaften Anregungen und freiem (Ver-)Arbeiten mit der Kindergartenlehrperson, eröffnete den Kindergartenkindern die Möglichkeit, selbständig weiter zu forschen und eigene Ideen umzusetzen. Die Projektwoche war von Anfang an bewusst prozessoffen angelegt. Der Fokus lag auf dem forschenden Lernen. Die Abschlusspräsentation bereiteten die Kinder nicht für ein grösseres Publikum vor, sondern für die eigene Klasse.
Nach all den Inputs und Experimenten mangelte es den Kindern nicht an Ideen! Mit klaren Vorstellungen und unaufhaltsamem Schaffensdrang gingen sie ans Werk – weitgehend selbständig. Aus Wollschnüren wurde ein Trapez gebastelt, Tortenspitzen gereichten zum Auffangnetz, drei Jungen performten mit Hilfe eines dehnbaren Lüftungsschlauchs einen hungrigen Zirkuselefanten, Kartonschnipsel verwandelten sich in Tiere, buntes Licht und Wimpel definierten die Zirkusmanege. Hansueli Trüb, Jnes Fehr und die Kulturagentin Bettina Eberhard wirkten bei Bedarf unterstützend und halfen bei der Gesamtkoordination. Zugegeben – es überraschte und verblüffte, wie sich am Schluss der bunte Ideenfundus der Kinder fast wie von selbst zu einer stimmigen und abwechslungsreichen Schattentheatervorstellung entfaltete. Irgendwie magisch... Oder einfach eine Erinnerung, auf die kreativen Fähigkeiten und den Ausdruckswillen von Kindern vertrauen zu dürfen und eine Gelegenheit staunend dazuzulernen.
Stefanie Kasper, Geschäftsführung kklick TG