Wunsch Orte Metro Netz
19. November 2020
von Bettina Eberhard
«Du entwickelst plötzlich Freundschaft mit etwas, was du vorher nicht gesehen hast. Du brauchst nicht ins Museum zu gehen, es ist auf der Strasse. Das sind alles Anstösse, um dir eine eigene Welt zu basteln, die aber lustig ist.» Martin Kippenberger
In «Metro-Net. Subway around the world» von Martin Kippenberger handelt es sich um eine Serie von improvisierten Eingängen zu einem fiktiven U-Bahn-System, welche der Künstler an ungewöhnlichen und unerwarteten Orten installiert hat. Die U-Bahn-Eingänge spannen ein imaginäres und weltumspannendes Verkehrsnetz unter der Erde. Das Netz als ein sich permanent in alle Richtungen erweiterndes, dezentristisches Konstrukt, als eine nichthierarchische Verknüpfung von Orten, welches nach Belieben betreten oder verlassen werden kann. Viele von Kippenbergers Stationen existieren leider nicht mehr oder sind erst gar nie entstanden. Die perfekte Gelegenheit um an Kippenbergers Arbeit anzuknüpfen und am Schulzentrum Bernegg zu bauen. einen eigenen Eingang zum fiktiven U-Bahn-System zu bauen.
In meiner Vorstellungsrunde in allen Klassen, lade ich die Schüler.innen ein, sich mit mir auf eine «unterirdische Kopfreise» zu begeben. Den Eingang dazu habe ich in der Schule verortet. Ich überrasche sie mit Bildcollagen ihres Pausenplatzes auf dem plötzlich der dominante U-Bahn-Eingang steht. Auf die kurze Freude ihr Schulareal erkannt zu haben folgt die Entrüstung, weil der so zentral platzierte Eingang das Fussballspielen verunmöglicht. Die Grenzen zwischen Fiktion und Realität mäandrieren. Nun ist es an den Schüler.innen die Station zu verlegen. Wo soll sie hin? Durch die vorgeschlagenen Bauorte erfahre ich einiges über meinen neuen Arbeitsort. Zum Beispiel, dass es unter den Schulzimmern ein Bunker gibt, in dem frühere die Bibliothek beherbergt war - ein Bild, dass zur Weiterreise anregt…
Kein Eingang ohne Ausgang – in keinem anderen System der Fortbewegung ist der Eingang so sehr mit dem Ausgang verknüpft wie in der Untergrundbahn. Ich trete ein, bin in einem düsteren Tunnel, komme an und trete ans Licht. Es mag schon sein, dass Martin Kippenberger für seine «Subway around the World» von der grossartigen Poetik des utopischen Moments inspiriert wurde, als Buster Keaton in seinem Film «The Frozen North» in einer Schneelandschaft, umringt von schneebedeckten Bergen, aus der New Yorker Subway Station tritt. Wohin würden die Schüler.innen reisen, wo auftauchen wollen? In einem Briefkasten konnten die Schüler.innen ihre Wunschdestinationen angeben: im Wald, auf einer geheimen Lichtung, wo nur Tiere sind – 3000 Jahre später (in der Schweiz) – McDonalds Kreuzlingen – iPad – zu Gott, um nochmals geboren zu werden – Paris – unter der Erde, dass ich die U-Bahn von unten beobachten kann – im Rolexladen – auf den Wolken in einer Stadt – in meinem Bett – Schwimmbad Egelsee. Diese imaginären Momente, die die Reisenden ihrem zeitlichen und räumlichen Standpunkt entreisst, ermöglicht die Rezeption dessen, was im Hier und Jetzt nicht vorhanden ist. Mit Blick in die Zukunft, wir sind gemeinsam unterwegs.